In vielen Ländern weltweit ist es Tradition, dass Mädchen und Frauen beschnitten werden. Dies geschieht ohne die Zustimmung der Mädchen und Frauen. Weibliche Genitalbeschneidung bedeutet, dass Teile der äußeren weiblichen Genitalien verletzt oder entfernt werden.
FGM/C (Female Genital Mutilation and Cutting) ist der internationale Begriff für weibliche Genitalbeschneidung.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert: „Weibliche Genitalbeschneidung (FGM/C) umfasst alle Verfahren, die eine teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren weiblichen Genitalien oder deren Verletzung zum Ziel haben, ohne eine medizinische Notwendigkeit.“
Die WHO unterscheidet dabei vier Beschneidungstypen und weitere Subtypen, die sich jedoch in der Praxis nicht immer voneinander abgrenzen lassen.
Jede Form von weiblicher Genitalbeschneidung ist ein schwerwiegender Eingriff, unabhängig davon, wie viel Gewebe entfernt wird.
(WHO, 2024, www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/female-genital-mutilation)
Zur Nutzung der Begriffe Beschneidung und Verstümmelung existieren kontroverse Meinungen.
Auf den Begriff Verstümmelung wird häufig zurückgegriffen, um die Schwere der Menschenrechtsverletzung zu benennen, jedoch kann der Begriff von Betroffenen als stigmatisierend empfunden werden. Viele Betroffenen bevorzugen daher für sich den Begriff Beschneidung.
Der englische und international gebräuchliche Begriff Female Genital Mutilation and Cutting (FGM/C) beinhaltet beide Varianten und zeigt damit die verschiedenen Sichtweisen auf das Thema auf.
Weibliche Genitalbeschneidung ist ein sensibles Thema und erfordert einen reflektierten und kontextspezifischen Gebrauch der Begrifflichkeiten.
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FGM/C ist eine lebensgefährliche Menschenrechtsverletzung, die für Betroffene schwerwiegende physische und psychische Auswirkungen haben kann.
Neben den vielfältigen akuten Komplikationen während des Eingriffs, leiden viele Betroffene auch langfristig unter den Folgen ihrer Beschneidung, unter anderem durch Infektionen, Entzündungen, Schmerzen beim Wasserlassen oder beim Geschlechtsverkehr.
FGM/C hat zudem häufig Auswirkungen auf Schwangerschaft, Geburt und Sexualität.
(WHO, 2024, https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/female-genital-mutilation)
Der Ursprung der Praxis ist ungeklärt, jedoch wurden Spuren bereits im Alten Ägypten und damit vor der Entstehung monotheistischer Religionen gefunden. FGM/C kommt weltweit vor und wird unabhängig von einer religiösen Zugehörigkeit durchgeführt.
Obwohl die Praxis in vielen Ländern weltweit verboten ist, ist weibliche Genitalbeschneidung nach wie vor weit verbreitet.
Die Gründe für das Bestehen der Praxis sind stark abhängig von der praktizierenden Gemeinschaft. FGM/C ist mit verschiedenen gesellschaftlichen Werten und Normen verknüpft und Teil eines gesellschaftlichen Systems. Die gesellschaftlich tief verankerten Begründungsmuster bei gleichzeitiger Wichtigkeit familiärer und gemeinschaftlicher Strukturen zeigen die Schwierigkeit, mit der Tradition zu brechen.
FGM/C gilt als eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt. Bis ins 19. Jahrhundert wurde weibliche Genitalbeschneidung auch in Europa unter medizinischem Vorwand eingesetzt, um Frauen vermeintlich von „Hysterie“, Masturbation oder „Hypersexualität“ „zu heilen“.
(Hulverscheidt (2016) Weibliche Genitalverstümmelung. Diskussion und Praxis in der Medizin während des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum)
Laut Schätzungen von UNICEF sind weltweit mehr als 230 Millionen Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalbeschneidung betroffen und circa 4 Millionen Mädchen bedroht, beschnitten zu werden.
Auf allen Kontinenten gibt es Regionen, in denen FGM/C praktiziert wird.
Ein differenzierter Blick auf die Länderdaten ist dabei unbedingt notwendig: da Ländergrenzen oftmals kolonial gezogen wurden und die Verbreitung von FGM/C eher an Gemeinschaften als an Ländergrenzen gebunden ist, sind die Länderdaten zur Verbreitung von FGM/C nicht unbedingt aussagekräftig. Zudem unterscheidet sich die Forschungslage zu dem Thema stark je nach Region.
Eine Untersuchung des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2020 gibt für Deutschland 67.000 Betroffene und zwischen 2.800 und 15.000 bedrohte Mädchen an. Gemäß der Dunkelzifferschätzung von Terre des Femmes aus dem Jahr 2022 wird von circa 104.000 betroffenen Mädchen und Frauen sowie von circa 17.000 potenziell gefährdeten Mädchen und Frauen ausgegangen.
Die großen Unterschiede zwischen den Schätzungen liegen in dem großen Dunkelfeld und verschiedenen Berechnungsmethoden begründet.
https://data.unicef.org/topic/child-protection/female-genital-mutilation/
Zahlreiche internationale Konventionen verurteilen weibliche Genitalbeschneidung als Menschenrechtsverletzung.
Dazu gehören:
Außerdem ist die Abschaffung von FGM/C bis 2030 als ein Ziel für nachhaltige Entwicklung durch die Vereinten Nationen benannt worden.
https://fim-frauenrecht.de/unsere-themen/genitalbeschneidung
In Deutschland gilt die Beschneidung weiblicher Genitalien seit 2013 als Straftatbestand (§226a StGB) und kann mit bis zu 15 Jahren Haft sanktioniert werden.
Neben der Durchführung sind auch die Beihilfe und Überredung unter Strafe gestellt, auch wenn die Beschneidung im Ausland durchgeführt wird.
Eltern können sich zudem strafbar machen, wenn sie ihr Kind nicht vor einer drohenden Beschneidung beschützen.
Fachkräfte haben einen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung und sind dazu verpflichtet, bei einer drohenden Beschneidung von Mädchen entsprechende Handlungsschritte einzuleiten.
Geflüchtete, von Beschneidung bedrohte oder betroffene Mädchen und Frauen, die neu in Deutschland ankommen, können FGM/C als Form geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund geltend machen, wenn sie in der Asylanhörung von der erlebten oder drohenden Beschneidung berichten.
Als schwere Menschenrechtsverletzung kann weibliche Genitalbeschneidung als Grund für eine Flüchtlingsanerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 3 AsylG) gewertet werden.
Aufgrund der erlebten Menschenrechtsverletzung gelten von FGM/C betroffene Frauen als besonders schutzbedürftig. Ihnen stehen im Asylverfahren besondere Rechte zu, unter anderem besteht Anspruch auf besonders geschulte Anhörer*innen und weibliche Dolmetscherinnen.
Betroffene müssen ein medizinisches Gutachten über ihre Beschneidung vorlegen, das von geschulten und zum Thema FGM/C erfahrenen Gynäkolog*innen verfasst werden sollte.
Der „Schutzbrief gegen weibliche Genitalbeschneidung“ klärt in verschiedenen Sprachen über die Strafbarkeit von FGM/C auf und kann von Familien bei der Reise in ein Prävalenzland wie ein Reisepass mitgeführt werden.
Der Schutzbrief kann Familien helfen, sich dem gesellschaftlichen oder familiären Druck im Herkunftsland entgegenzustellen, garantiert jedoch keine Sicherheit vor einer tatsächlichen Beschneidung.
www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/schutzbrief-gegen-weibliche-genitalverstuemmelung-179280